Freitag, Dezember 29, 2006

Dan Simmons: Der Sturz von Hyperion (1990)








Dan Simmons: Die Hyperion-Gesänge - Der Sturz von Hyperion, München 2002 (Original: Dan Simmons: Hyperion, GB 1990.) (750 S.)

Am Ende meint Martin Silenus im Zuge des üblichen Abschieds-Abspanns zu seinen verbleibenden Kollegen:
„Ich habe gelernt, dass Dichter keine Götter sind, aber wenn es einen Gott gibt – oder etwas, das einem Gott gleichkommt -, ist er ein Dichter. Und zwar ein gescheiterter.“ (Die Hyperion-Gesänge, S. 1427.) Und dann rülpst das Baby.

Genauso abenteuerlich, wie der erste Teil der Erzählung begonnen hatte, setzt sich der zeite Teil bis zur Auflösung der Geschichte fort. Atemberaubende Wendungen und intellektuelle Höhenflüge reißen den Leser wohlverpackt in brillianten Bildern mit in das Ende einer engstirnigen Welt, die sich im Tode erst einer geistigen Weite und endlich auch einer wahren Freiheit öffnen kann.
Ist es schwierig gewesen, die Handlung von Hyperion in wenigen Worten zu umreißen, so ist es nahezu unmöglich, es für den Sturz von Hyperion zu versuchen. Daher nur ein kurzer Einblick in die faszinierende Welt dieser perfekt durchdachten Space-Opera.

Zeitgleich mit der Öffnung der Zeitgräber fallen die Ousters über das Hyperion-System her. Die Hegemonie unterschätzt den angreifenden Schwarm und sieht sich plötzlich auch einer Invasion auf alle anderen mit dem Farcaster-Netz verbundenen Welten gegenüber, die Meina Gladstones Regierung in heilloses Chaos zu stürzen drohen. Nur mit Hilfe der mächtigen KIs des Core kann der Angriff gestoppt werden, die Verbündeten Maschinen der Menschen haben ein Geheimwaffe entwickelt, mit der die Ousters alle auf einen Schlag ausgelöscht werden können.
Die Zeit drängt, Welten brennen, und dabei drängt sich immer mehr die Frage auf, ob der TechnoCore nicht das eigentliche Übel hinter und über all den offensichtlichen und akuten „Problemen“ der Menschheit ist.
Die Gruppe der Pilger um die Zeitgräber herum hat einstweilen – ein jeder auf seine Art – mit dem Shrike und seiner eigenen, ganz speziellen Rolle im unplanbaren und dennoch geplanten Ende der Welt zu spielen, während um sie herum tobt ein Kampf der Götter tobt.
Bis endlich alle begriffen haben, welche Rolle ihnen selbst zugedacht ist, und bis sie diese auch akzeptieren und ausfüllen, geschieht eine Unzahl nahezu unbegreiflicher Dinge, die den Leser ständig am Rande des Ertragbarenn festhalten. Und so ist man tatsächlich bis zuletzt gespannt, fühlt sich wie ein vor eine Kutsche gespannter Esel, dem man eine Karotte vor der Nase baumeln lässt, damit ihm das Wasser im Maul zusammenläuft und er immer weiter zieht. Selten schreibt ein Autor so fesselnd.

Die Gestalt des Dichters John Keats führt in der nunmehr dritten Auflage seiner Persönlichkeit in seinen Träumen durch einen Großteil der Geschichte. Es ist für ihn die Geschichte einer Selbstfindung, eines Menschen – nein: einer Künstlichen Intelligenz – die das Leben um sich herum mit erstaunlicher Klarheit wahrnimmt, sich selbst aber nur unzureichend beurteilen kann. Mit dieser Erzähler-Figur hat Dan Simmons den einzig möglichen Weg zum Überleben im Universum, nämlich den der Symbiose zwischen Mensch und Maschinenintelligenz, auch strukturell zum tragenden und verbindenden Element seines Romans gemacht, was vielleicht nicht der bedeutendste Kunstgriff in dieser Erzählung ist, aber wohl der schönste.

Bewertung:
Inhalt 1-
Plot 1
Stil 1
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gesamt 1
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Freitag, Dezember 15, 2006

Dan Simmons: Hyperion (1989)









Dan Simmons: Die Hyperion-Gesänge - Hyperion, München 2002, Gesamtausgabe 2005. (Original: Dan Simmons: Hyperion, GB 1989.) (693 S.)

Konsul Merin wird von der Präsidentin der Hegemonie „gebeten“, gemeinsam mit sechs anderen Personen eine Pilgerreise zum Planeten Hyperion zu unternehmen, wo die Zeitgräber gerade im Begriff sind sich zu öffnen und das Shrike sein Unwesen in noch nie dagewesenem Ausmaß treibt, sodass anzunehmen ist, dass das Ende der Welt nahe ist.
Am Anfang gebärdet sich die Geschichte wie ein Buch mit sieben Siegeln. Begriffe, Schauplätze, ja das ganze Setting wirkt mit seinem Detailreichtum auf anregende Weise unbekannt und herausfordernd. Dieser Erzählstil aber ist es, der den Leser von Anfang an fesselt und ihn förmlich zwingt, sich der Story bis zum Schluss zu ergeben.

Die sieben Pilger werden erst auf dem Baumschiff des Tempelritters Het Masteen zu einer Gruppe, und um einander besser kennen zu lernen, und um herauszufinden, warum gerade sie es sind, die dem mörderischen Shrike gegenüber treten sollen, erzählen sie der Reihe nach ihre persönlichen Geschichten.
Pater Hoyt stellt sich als Begleiter des ins Exil verbannten katholischen Paters Duré vor. Dieser war auf Hyperion auf der Suche nach dem seltsamen Stamm der Bikura gewesen, hatte diese gefunden und dabei eine erschreckende Bekanntschaft mit einem die menschliche Biologie verändernden Instrument gemacht, das sich die „Kruziform“ nennt. Diesen Parasiten trägt nun auch Hoyt, in zweifacher Ausführung, nachdem er den Exilpriester einige Jahre später von einem Baum gepflückt und aus dem Martyrium einer ständigen, endlos schmerzhaften Wiederauferstehung befreit hatte.
Oberst Kassads Geschichte ist eine Liebesgeschichte, die sich in einer Mischung aus Cyberspace und Realtraum abspielt. Das Objekt seiner Begierde stellt sich schließlich – wie auch Kassad selbst im Affekt – als blutrünstige Gefährtin des Shrike heraus.
Mittlerweile ist klar, dass das Shrike ein Wesen ist, das jeder Waffe überlegen ist, das aber aufgrund der Abwesenheit von Farcastern auf die Welt Hyperion beschränkt ist, und das seiner inhärenten Mordlust bisher immer nur sehr begrenzt gefrönt hatte. Farcaster verbinden die bewohnten Welten miteinander, im Techno-Core lebt die Essenz der KIs mit ihren unergründlichen Zielen, und – ach ja! – von außen droht den Menschen ein früher Bruder als nun erbitterter Feind: die Ousters. (Sie waren die ersten Menschen, die in den Weltraum aufgebrochen sind, inzwischen sind sie mutiert, perfekt ans Leben in der Schwerelosigkeit angepasst, und scheinbar entschlossen, der Menschheit in der Schlacht um Hyperion die Stirn bis zum Letzten zu bieten.)
Die Geschichte des Dichters Martin Silenus, der als letzter Überlebender der ersten größeren Stadt auf Hyperion die Geschichte des Shrike besingt, die Geschichte des Gelehrten Sol Weintraub, dessen Tochter Rachel auf Hyperion in den Zeitgräbern verunglückt ist und die seither bis zum Babystadium rückwärts gealtert ist, die Geschichte der Detektivin Lamia Brawne, die eine wahrscheinlich vom Core ermordete KI mit sich herumträgt und schließlich die Geschichte des Konsuls, der eine Verschwörung der in Fraktionen aufgespaltenen KIs vermutet und aus Hass auf die Hegemonie mit den Ousters paktiert, all ihre Erzählungen komplettieren die Gesamtgeschichte. Und nein, der Tempelritter Het Masteen erzählt als siebenter seine Geschichte nicht. Seine Kabine wird verwüstet und mit Blut besudelt gefunden, und ob Het Masteen getötet wurde oder abgehauen ist, bleibt bis zuletzt unklar.

Der Aufbau der Geschichte ist simpel, umso komplexer die Welt, in der sie spielt. Dan Simmons hat mit Hyperion eine Space Opera geschaffen, die ihresgleichen sucht. Mitreißend und spannend bis ins Letzte. Dabei bedient er sich nie auch nur eines kleinen Bisschens Komik, um der Tragik jeder einzelnen Figur auszuweichen und ihr die Schwere zu nehmen. So ist jede einzelne Geschichte ist ein Schlag in die Magengrube des Lesers, der Begriff Thriller müsste um das Attribut gnadenlos ergänzt werden, um halbwegs zu beschreiben, was Dan Simmons hier abliefert.
Dabei ist Hyperion nur der erste von zwei Teilen, die zusammen die Hyperion-Gesänge ergeben. Dieser erste Teil begründete Dan Simmons Weltruhm, die Fortsetzung – beziehungsweise der Abschluss – machte Hyperion zum Klassiker des SciFi-Genres. Und das völlig zu recht.

Bewertung:
Inhalt: 1
Plot: 1
Stil: 1
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gesamt: 1
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Sonntag, November 19, 2006

William King: Wolfskrieger (1999)

William King: Warhammer 40.000 - Wolfskrieger, München 2002 (Original: William King: Space Wolf. GB 1999.) (365 S.)

Eine Legende aus dem 40k-Universum erleidet gleich zu Beginn der Geschichte einen tödlichen Treffer und sieht - welch grandioser Kunstgriff - die Anfänge seiner Laufbahn als Space Wolf vor seinem geistigen Auge ablaufen: Ragnar Donnerfaust. Somit erzählt das gesamte Buch von Ragnars Rekrutierung auf seiner Heimatwelt Fenris, den harten, meist tödlichen Prüfungen für die Anwärter, schließlich die Verwandlung in einen übermenschlichen Krieger mit Hilfe von uralten Techniken und Riten, die Abschlussprüfung und zuletzt seinen ersten Einsatz gegen einen Tempel des Chaos. Und, sieheda, er wacht in einem Feldlazarett wieder auf, ist knapp mit dem Leben davon gekommen, und stürzt sich schon wieder in den Kampf.

Von einem Roman aus dem Warhammer-Universum (40K ist dabei die Abkürzung für das Sci-Fi-Universum) erwartet man sicherlich keine literarischen Höhenflüge. Dass das Buch aber wirklich allein und ausschließlich im Ton eines pubertierenden Vierzehnjährigen daher kommt, ist für den relativ erwachsenen Leser dann doch etwas enttäuschend. Ausnahmslos linear wird Ragnars Werdegang zum Spacewolf erzählt, und die Rahmenhandlung ist überraschend wie ein Blick vor die eigene Haustür.
Allein, für einen prinzipiellen Fan von 40K liefert Ragnars Geschichte wertvolle Einblicke in das grundsätzliche Wesen der Space Marines, und das alleine reicht um eine völlig schlechte Wertung zu verhindern. Schließlich hab ich das Buch ja ausgelesen.

Bewertung:
Inhalt: 3-
Plot: 5
Stil: 5
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gesamt: 4-
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Freitag, November 03, 2006

Iain M. Banks: The State of the Art (1993)

Iain M. Banks: The State of the Art, London 1993. (224 S.)

The State of the Art ist eine Sammlung von acht bunt gemischten Kurzgeschichten. Die Art der Erzählung reicht von absurden Einblicken in paradoxe Welten, bis hin zu der einen, wichtigen Geschichte, in der Banks´ Cultur-Universum auf die Zivilisation des Homo Sapiens auf Erden trifft.
In dieser Geschichte hält sich ein Raumschiff der Klasse GSV (General Systems Vehicle) namens Arbitrary aus der Abteilung Contact in der Nähe der Erde auf, und es selbst sowie seine Besatzung ist dabei, den Planeten auf seinen Status und die Möglichkeit eines Kontakts hin zu bewerten. Diese Einstufung läuft natürlich, wenn auch nicht so eindeutig, wie man annehmen möchte, darauf hinaus, dass man das Sonnensystem weiterhin beobachten will, sich mit der Kontaktaufnahme mit den als sehr ambivalent erscheinenden Menschen noch eine Menge Zeit zu lassen. ("ene-mene-tekel".)
Interessant ist allerdings, wie Banks Contact zu dem Schluss führt, die Menschheit sei noch nicht reif für interstellare Kontakte: Gleich zu Beginn der Geschichte wird Diziet Sma von Arbitrary damit beauftragt, den untergetauchten Linter aufzusuchen um mit ihm zu reden. Arbitrary hat die Vermutung - was bei einem GSV eigentlich bedeutet, dass es sich aufgrund mehrerer millionenfacher Simulation aller Möglichkeiten dessen sicher ist - dass Linter der Culture den Rücken kehren und den Rest seines Lebens auf der Erde verbringen möchte. Ohne jeglichen Kontakt mit seiner Heimatkultur, in einem Körper, der auf menschliche Gebrechen herunter reduziert wurde.
Spannend an dieser Geschichte ist weniger, was passiert, sonder wieder einmal vielmehr wie es passiert. In ausgefeilten Dialogen arbeitet Banks die überraschende Tatsache heraus, dass es vielleicht doch nicht so schlecht ist, im interstellaren Vergleich ein Mensch zu sein; aber natürlich nur vielleicht...

Bewertung:
Inhalt: 1-
Plot: 1-
Stil: 1
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gesamt: 1
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Charles Stross: Accelerando (2005)

Charles Stross: Accelerando, London 2005. (546 S.)

Stross beschreibt drei Generationen, ausgehend von einer nicht allzu fernen Zukunft, bis hin in eine Welt, in der Zeit nur noch subjektiv ist und das Leben sich in einen Cyberspace verlagert hat, in dem Information und Neuheit zu einer Währung geworden sind, bei der Menschen kaum noch etwas zählen. Der Weg führt von unserer heutigen Informationsgesellschaft, in der das kapitalistische Wirtschaftssystem auf Mangel basiert, über eine Entwicklung im Nano- und Infotechnologie-Bereich, in der alles möglich erscheint, was denkbar ist. Dabei müssen die Figuren - allen voran der bereits aus den Vorgängerromanen bekannte Manfred - zum Teil schmerzhaft erfahren, dass die Menschen weder die einzigen sind, die in diesem Universum der Zukunft denken, und schon gar nicht die wichtigsten.

Dem Titel entsprechend schreitet der Roman in einem Tempo voran, dass man als Leser ständig auf der Hut sein muss, den Anschluss nicht zu verpassen. In extrem kurzen Kapiteln schreitet die Handlung voran, indem jeweils entweder das Leben der aktuellen Hauptfigur verfolgt wird - was mit der Zeit immer schwieriger wird, als sich die Figuren mit fortschreitender Komplexität des Lebensumfeldes ständig selbst duplizieren, wieder zusammenfügen, und im Todesfall auch schon mal wieder erweckt oder simuliert werden -, oder der Autor gibt einen Zustandsbericht der jeweiligen Zeitstufe, in der er die neuen technologischen Machbarkeiten und deren Auswirkungen auf die jeweils daraus resultierende Gesellschaft beschreibt.
Das ganze klingt genauso anstrengend, wie es für den Leser ist. Dazu kommt noch, dass als Erzählzeit durchwegs die Gegenwart herhalten muss, was den Eindruck des Unsteten und Unübersichtlichen nur noch erhöht. Alles in allem ist das Buch höchst intelligent, Stross´ Zukunftsvision mag sogar bahnbrechend sein, aber im Gegensatz zu "Singularität" und "Supernova", die ebenfalls durchaus keine leichte Kost sind, ist "Accelerando" fast schon unverdaulich.
Wer es schafft, das Buch zweimal zu lesen, kann sicherlich viel Interessantes mitnehmen. Beim ersten Mal muss der Leser erst einmal sehen, wo er bleibt.

Bewertung:
Inhalt: 2
Plot: 3
Stil: 4
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gesamt: 3-
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Donnerstag, Mai 04, 2006

Iain M. Banks: The Algebraist (2004)

Iain M. Banks: The Algebraist, London 2004. (534 S.)

Wie immer stößt Banks seinen Leser erbarmungslos hinein in eine ferne und dennoch unglaublich realistische Welt der Zukunft. Man klebt förmlich mit der Nase am Arsch der Figuren, während sich das Universum wie selbstverständlich erst nach und nach um einen herum entfaltet und erklärt.
Der Slow-Seer Fassin Taak hat durch einen vergangen "Tauchgang" in die Bibliotheken der Dweller-Welt des Gasriesen Nasqueron anscheinend eine Information zu Tage gefördert, die - wenn sie sich als wahr herausstellen sollte - das Machtgefüge des Universums ins Wanken bringen kann: Es geht um den Schlüssel zu einer mythischen Liste, die ein Netzwerk geheimer Wurmlöcher beschreibt, das die gesamte Galaxie zu umspannen scheint.
Fassin wird beauftragt, diesen Schlüssel nun endgültig zu finden - wenn er denn existiert. Während der Seher sich auf eine abenteuerliche Irrfahrt begibt, in deren Verlauf er zwar seinem Ziel nicht näher zu kommen scheint, sich aber wenigstens selbst immer mehr verliert, bricht im Universum um ihn herum ein Interstellarer Krieg umd die Information aus, die Fassin noch nicht einmal gefunden hat.

Banks jagt seine Figuren schonungslos durch die phantastischsten Welten, bis die meisten von ihnen emotionalen Schiffbruch erleiden. Die wenigen Figuren, die am Schluss noch übrig bleiben und die das Inferno überlebt haben, scheinen am Ende verlorener als je zuvor auf dem Weg durch die Wirren ihrer Schicksale. Und doch gehen sie durch ihre Verlorenheit auf in einer für den menschlichen Verstand viel zu großen Welt, sie geben sich selbst auf und fügen sich dadurch erst ein in die Gesamtheit des Kosmos ein, sie finden im Annehmen unendlicher Trauer und im überwältigten Staunen vor der Größe des Alls Frieden - und vielleicht sogar ein bißchen Hoffnung.
Dass derart große Themen in einer Geschichte Platz finden können, die man nicht anders als extrem spannend und "mindblowing" bezeichnen kann, ist ein Geschenk, das Banks der Science Fiction macht, für das sie ihm dankbar sein muss.

Kurzinfo: Iain M. Banks

Bewertung:
Inhalt: 1
Plot: 1
Stil: 1
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gesamt: 1
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Montag, März 27, 2006

Brian W. Aldiss: Feinde aus dem Kosmos (1958)

Brian W. Aldiss: Feinde aus dem Kosmos, München 1984 (Original: Brian W. Aldiss: Equator. GB 1958); in: Chroniken der Zukunft, Bd. 3, S.133; hg.v. W. Jeschke, München 1984. (107 S.)

Der deutsche Titel ist etwas irreführend, weil er eine Erwartungshaltung aufbaut, die letztlich nicht eingehalten wird. Das ist freilich das Ziel des Erzählers, der den Leser zuerst glauben lässt, die fremden Siedler planten eine Invasion der Erde, um die ganze Agentenjagd im letzten Moment als politisches Hirngespinst zu entlarven. Doch von vorne: Vor einiger Zeit ist ein Raumschiff der Rasse der Rosker auf der Erde gelandet, um hier eine neue Heimat zu finden. Nach langem Überlegen hat man ihnen Sumatra als Wohnsitz zugeteilt, was zu lokalen Spannungen führte, aber die beste Lösung für ein Zusammenleben zu sein schien. Mittlerweile ist allerdings das Misstrauen zwischen Menschen und Roskern so stark geworden, dass ein regelrechtes Spitzelunwesen zwischen den Staaten der Welt und dem Staat der Rosker entstanden ist. Leslie Tyne gerät im Zuge eines Spionageeinsatzes in die Wirren dieser Agentenscharaden und stellt die längste Zeit einen Spielball der verschiedenen Mächte dar. Tyne kommt endlich hinter ein Geheimnis, das die Menschheit erfahren muss: Das roskische Flüchtlingsschiff scheint die Vorhut einer Invasion zu sein! Doch die Rosker stellen ebensowenig wie die Menschen eine einheitliche Masse dar, die Roskische Friedensbewegung arbeitet gegen die Invasionspläne in den eigenen Reihen. Zuletzt aber, nachdem allerhand zu Bruch gegangen und Tyne mehrmals in die Fänge verschiedener Fraktionen geraten ist, wird klar, dass die angeblichen Invasionspläne lediglich der perfide Plan eines größenwahnsinnigen roskischen Politikers war, der die Welt in Schrecken versetzen und dadurch seine Machtbasis ausweiten wollte. Die Figurenkonstellation holpert etwas - Tyne hat zum Beispiel in seiner Hintergrundgeschichte als Diplomat gearbeitet, bevor er zum Raumfahrer wurde, und wird immer noch als "Junger Hüpfer" angesprochen - und der Handlungsverlauf ist zwar bewusst verwirrend gehalten, bietet aber zu wenig emotionale Angriffsfläche, um den Leser wirklich bei der Stange zu halten. Darüber hinaus stellt die Geschichte in bester Manier eine Parabel auf den kalten Krieg dar. Beide Seiten einer höchst prekären und vor allem auf geheimster Ebene stattfindenden Auseinandersetzung jagen letztlich einem Phantom nach, das allein den dubiosen Hintermännern jemals dienen kann, wenn die Menschheit nicht bemerkt, dass sie sich ins Boxhorn jagen lässt. Der positive Ausgang der Geschichte ist bei einer derartigen Interpretation allerdings als etwas naiv zu bezeichnen.

Kurzinfo: Brian W. Aldiss

Bewertung:

Inhalt: 2-
Plot: 4
Stil: 4
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gesamt: 3-4
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Montag, März 13, 2006

Larry Niven: Ringworld´s Children (2004)

Larry Niven: Ringworld´s Children, London 2004. (349 S.)

Louis Wu erwacht zum Zwanzigjährigen verjüngt im Autodoc. Der Protektor Tunesmith, der die Kontrolle über das Reparaturzentrum und die Meteoriten-Abwehr unter der Karte des Mars übernommen hat, ist dabei sich in den Randkrieg einzumischen, der sich unweigerlich der Ringwelt nähert und sie durch den rücksichtslosen Einsatz von Antimateriewaffen zu zerstören droht.
Mit einem gestrandeten ARM-Raumschiff kommt Roxanny auf die Ringwelt, die erste vollkommen menschliche Frau, der Louis seit Jahren begegnet ist. Er verbirgt seine Identität aber vor ihr, um die Erreichung ihrer militärischen Ziele zu erschweren. Während sich zwischen Louis und Roxanny ein Spiel um Geheimniskrämerei und Preisgabe von Informationen entwickelt, fungiert Wu als Marionette von Tunesmith, um eine neue Technologie zu überprüfen, mit deren Hilfe der Protektor Schäden im Scrith, dem Basismaterial der Ringwelt, reparieren will. Sie treffen auf Wembleth, einen Abenteurer der Ringwelt, und werden von einem uralten Protektor namens Proserpina entführt. Dieser scheint der letzte Überlebende von den Erbauern der Ringwelt zu sein, und um die Ringwelt vor dem Randkrieg zu retten, lässt sie sich schließlich auf eine Zusammenarbeit mit Tunesmith ein.
Wu mutiert selbst zum Protektor und erkennt Wembleth als seinen und Teela Browns Sohn. (Sie war jene Frau, die als Glückspilz von den Puppeteers gezüchtet wurde und mit Louis zuerst auf der Ringwelt gelandet war.) Er bringt Roxanny und Wembleth in Sicherheit, hilft Tunesmith und Proserpina bei ihrem Plan zur Rettung der Ringwelt vor dem Krieg und verlässt schließlich mit dem Puppeteer Hindmost die Ringwelt. Die Ringwelt selbst verschwindet kurz darauf im Hyperraum und taucht erst zwei Tage später weit jenseits jeden menschlichen Einflusses wieder auf, um ein neues Leben zu beginnen.

Larry Nivens Konzepte sind in diesem vierten Teil aus dem Ringweltuniversum kein bisschen schwächer geworden. Wo die Basisdaten dieses unvorstellbar weiten Lebensraumes endlich verständlich erschienen, treten nun Veränderungen ein, die wiederum nur Staunen hervorrufen können. Die Vorstellung, dass selbst hinter den größten Zufällen des Universums immer noch das gezüchtete Glück von Teela Brown steht, ist einer der großen Kunstgriffe, mit denen sich die Story immer wieder in einem anderen Licht präsentiert.
Die gesamte Ringwelt schließlich durch den Hyperraum auf die Reise zu schicken ist zuletzt ein so unglaubliches Unterfangen, dass Louis Wus Rückverwandlung in einen Menschen durch den Autodoc anstandslos hingenommen wird.
Durch die unglaublichen Maßstäbe seiner Geschichten, deutet Niven durchaus auf die Nichtigkeit der menschlichen Existenz hin. Das Konzept der Protektoren, die allein der Erhaltung dieser Existenz in Form ihrer eigenen Blutlinie dienen, gibt dieser unbedeutenden Existenz zugleich aber einen so starken Sinn, dass man sich wünschen könnte, die Vorstellung wäre Realität. Wunderbar.

Kurzinfo: Larry Niven

Beurteilung:

Inhalt: 1
Plot: 1
Stil: 1-
_________
gesamt: 1
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Mittwoch, März 08, 2006

John Brunner: Die Zeitsonde (1969)

John Brunner: Die Zeitsonde, München 1971 (Original: John Brunner: Timescoop; Großbritannien 1969); in: Chroniken der Zukunft, Bd. 3, S.7; hg.v. W. Jeschke, München 1984. (131 S.)

Harold Freitas, Erbe eines interplanetaren Firmenimperiums im Jahre 2066, lässt mit Erfolg eine Maschine entwickeln, mit deren Hilfe Gegenstände und Personen aus der Vergangenheit extrahiert und als "echte" Duplikate in die Gegenwart transferiert werden können. Hauptsächlich, um sich in seiner Geistlosigkeit selbst zu schmeicheln, lässt Harold sogleich neun bedeutende Personen aus seinem umfangreichen Stammbaum in die Gegenwart bringen, die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert gelebt hatten.
Die pompöse Firmenfeier endet allerdings in einem Desaster, weil fast keiner der berühmten Persönlichkeiten der Geschichte als reale Figur dem Bild entspricht, das die Allgemeinheit von ihnen hat. Es kommt schließlich sogar so weit, dass ein flegelhafter Earl in einem Handgemenge mit dem eigentlichen Erbauer der Maschine (Chester Waley) ums Leben kommt.
Die Gerichtsverhandlung um diesen Mord führt aber wiederum zu einer Wendung der Ereignisse, als eben der selbe Earl zur Verhandlung erscheint, der noch kurz zuvor ermordet worden war.
Damit ist die Verhandlung hinfällig. Für eine Betreuung der problematischen Verwandtschaft findet Harold schließlich genügend Interessenten, um sich diese Probleme vom Hals zu schaffen, und schließlich hat er sogar aus der ganzen Affäre etwas gelernt: Von nun an will er bewusste Entscheidungen treffen, und sich nicht allein auf die Aussagen von Computern und Mitarbeitern verlassen, die ihm sagen, was der beste Weg für seine Zukunft sei.

Die Geschichte ist flott und amüsant geschrieben und enthält genügend interessante Wendungen, um den Leser über die immer gleichen Schwachstellen von Zeitreisekonzepten hinwegsehen zu lassen. Die Naivität, mit der Harold seine Verwandten aus der Vergangenheit in die Gegenwart holt, wirkt anfangs zwar ein wenig irritierend, doch genau das ist der Punkt dieser Story. (Ben Parker würde zu Peter sagen: Mit großer Macht kommt große Verantwortung!) Harold muss das Erbe des Firmenimperiums nicht nur körperlich antreten, sondern sich auch bewusst der Verantwortung stellen, die dieses Erbe mit sich bringt. Und in dem Moment, als er das tut, beginnt sich auch ein zielgerichteter Weg durch die Hürden seines Lebens abzuzeichnen, wo er bisher nur planlos gegen Widerstände geprallt war.
Insgesamt ein sehr kurzweiliges Buch.

Kurzinfo: John Brunner

Bewertung:
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Inhalt: 2
Plot: 2
Stil: 1-2
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gesamt: 2+
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Sonntag, März 05, 2006

Arthur C. Clarke: Die letzte Generation (1956)

Arthur C. Clarke: Die letzte Generation, München 1966. (Original: Arthur C. Clarke: Childhood´s End; USA 1956.) (187 S.)

Über den Städten der Erde erscheinen kugelförmige Raumschiffe, deren Insassen sich als eine den Menschen bei weitem überlegene Rasse mit der Bezeichnung "Overlords" zu erkennen geben. Anfangs hat nur der oberste Regierungsbeamte Kontakt zu Karrelen, dem Anführer der Overlords. Die Außerirdischen demonstrieren ihre Macht nur, wenn es unbedingt nötig ist, und führen ansonsten allein durch ihre Anwesenheit die menschliche Gesellschaft hin zu einer Einheit und Friedlichkeit, die zuvor niemand für möglich gehalten hätte. Zu Gesicht bekommt die Overlords anfangs allerdings niemand.
Erst, als eine ganze Generation mit den schwebenden Raumschiffen aufgewachsen ist, zeigen sich die Overlords - und sie sehen aus wie die Teufel aus den verschiedensten Legenden der menschlichen Vergangenheit. Doch weil die Menschheit bisher nur Gutes von ihren stillen Wächtern am Himmel erfahren hat, zeigt kaum jemand Furcht vor den fremden Wesen.
Allein, dass Karrelen und die anderen Overlords nie ein Wort darüber verlieren, was der eigentliche Zweck ihres Erscheinens sei, regt die Neugier und Spekulation vieler. Die Gesellschaft ändert sich immer mehr, die Wissenschaft scheint alles erklären zu können, Religionen hören auf zu existieren, und nur der Weg zu den Sternen bleibt den Menschen verboten.
Zuletzt aber verändert sich die Menschheit nicht mehr aufgrund der Beeinflussung durch die Overlords. Unter den Kindern der Menschheit macht sich eine okkult wirkende Vergeistigung epidemischen Ausmaßes breit. Keines der Menschenkinder bleibt normal, die Eltern sind machtlos gegen die Veränderung. Schließlich hat die Menschheit all ihre Kinder verloren.
Die Overlords stellen sich als eine Rasse heraus, die von einer unbegreiflich mächtigen Überintelligenz als Wächter für den Durchbruchprozess in der menschlichen Rasse eingesetzt wurde. Die Außerirdischen können den Prozess dieser Verwandlung selbst nur beobachten, dieser Weg ist ihnen selbst aber verwehrt, sodass sie plötzlich nicht mehr allmächtig erscheinen.
Die Menschheit hat ihre letzte Generation geboren und stirbt ohne ihre Kinder aus. Die Kinder aber bilden bald eine neue Geistesmacht im Kosmos, die sich der Überintelligenz anschließt und so zu etwas höherem wird. Die Sterne waren nichts für die Menschen, für sie waren sie unbegreiflich. Für die Kinder der Menschheit sind sie nun eine große Spielwiese.

Nicht umsonst zählt "Die letzte Generation" neben "2001" zu den visionären Meisterwerken Arthur C. Clarkes. Sein Blick über den Becherrand der menschlichen Möglichkeiten hinaus in eine Welt jenseits unseres Verständnisses beeindruckt vor allem dadurch, dass er nicht einfach nur phantasiert, sondern gesellschaftliche und massenpsychologische Phänomene wissenschaftlich durchdringt und in seiner Geschichte durch das Auftreten der Overlords in eine neue Gesellschaft der Zukunft extrapoliert.
Dass die Overlords wie die Teufel der Vergangenheit beschrieben werden, hat dabei einen überraschend logischen Grund, sich im dritten Drittel der Erzählung okkulte und transzendente Ereignisse in die vermeintlich wissenschaftlich durchdrungene Welt zu mischen beginnen. Denn: Wenn ein Wesen aus reinem Geist besteht und als solches der zeitlichen Bindung entflieht, ist es für Medien zu jeder Zeit möglich, diese Geister der Zukunft zu sehen; verbunden mit dem Eindruck fremder Wesen, die anwesend sind, als die Menschheit aufhört zu existieren, ergibt sich für den begrenzten Verstand schnell der Schluss, dass diese Wesen das Böse verkörpern müssen. Dabei nehmen auch die Overlords nur eine Position in der Hierarchie des Daseins ein, das in seiner Gesamtheit immer jeden möglichen Erkenntnishorizont sprengen muss.

Kurzinfo: Arthur C. Clarke

Bewertung:

Inhalt: 1
Plot: 2
Stil: 1-
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gesamt: 1-2
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Donnerstag, März 02, 2006

Robert A. Heinlein: Revolte auf Luna (1966)

Robert A. Heinlein: Revolte auf Luna, München 1968 (Original: Robert A. Heinlein: The Moon is a harsh mistress; USA 1966); in: Chroniken der Zukunft, Bd. 2, S.7; hg.v. W. Jeschke, München 1984. (225 S.)

Mannie ist als Systemtechniker auf dem Mond für die Wartung des Supercomputers der Verwaltung zuständig, der sich eines Tages als vernunftbegabt herausstellt und sich Mike nennt.
Obwohl Mannie mit den Gruppen der Befreiungsbewegung nichts zu tun hat, die sich gegen die von der Erde aus gesteuerte Verwaltung des Mondes stellen, gerät er durch Zufall an diese Leute und beginnt schließlich mit ihnen zusammen zu arbeiten, ohne wirklich von ihren Zielen überzeugt zu sein. Als Mannie den Computer Mike mit den Köpfen der Bewegung bekannt macht, wird aus der ziellosen Bewegung schnell eine straffe Organisation mit klaren Zielen und einem klaren Weg.
Zuerst werden die Verhältnisse auf dem Mond sukzessive verschlechtert, damit die Unterstützung der Befreiung in der ungebildeten Bevölkerung zunimmt. Irgendwann gerät die Unzufriedenheit der Loonies außer Kontrolle und es kommt zum Putsch. Weil die Revolution aus voneinander unabhängigen Spitzelzellen besteht, können die Anhänger des alten Regimes eliminiert werden, während Mannie sich mit Prof auf den Weg zur Erde macht, um vor den Vereinten Nationen Lunas Unabhängigkeit zu erklären. Die Erdmächte lachen das Ansinnen der Mondbewohner aber nur aus und reagieren auf die Drohung, man werde die Getreidelieferungen vom Mond zur Erde einstellen, mit einem Angriff auf die Mondstädte.
Dort hat man aber schon lange vorgesorgt und ein geheimes zweites Katapult neben dem offiziellen für die Getreidelieferungen gebaut, mit dessen Hilfe man nun beginnt, die Erde mit Felsbrocken zu bombardieren. Die Einschläge sind von Mike genau geplant, und gehen meist in der Nähe von Großstädten nieder, ohne diese tatsächlich zu treffen.
Schließlich sieht die Erde ein, dass sie gegen die Geschoße vom Mond keine Chance hat, und erkennt Lunas Freiheit an. Mannie wird nach Profs Tod zum Abgeordneten der neuen Regierung. Von dem Computer Mike, der die gesamte Befreiung Lunas organisiert hatte, ist aber seit dem letzten Angriff der Erde auf den Mond nichts mehr zu hören. Er ist entweder beschädigt worden oder hat sich nach Beendigung seiner Aufgabe in sich zurückgezogen.

Was will uns Heinlein hier sagen?
Der Ton der Geschichte legt durch seine bewusste Beiläufigkeit nahe, dass eine Revolution auf Luna unvermeidlich ist. Aber dann wieder muss diese Revolution erst angeschürt werden, weil eigentlich niemand sie so recht will. Selbst Mannie, der durch seine enge Freundschaft zum denkenden Computer Mike erst den Freiheitskampf ins Rollen bringt, macht sich eigentlich nichts aus den Zielen der Revolutionäre. Er eignet sie sich offenbar nur an, weil er nichts besseres zu tun hat, und erringt über Tausende von Leichen und die Zerstörung der gesamten globalen terrestrischen Umwelt - über die Heinlein kein Wort verliert, obwohl er sie pausenlos mit Gesteinsbrocken aus dem All torpediert - letztlich ganz nebenbei die Herrschaft über den Mond.
Dass damit nichts gewonnen ist, weil der Mond ein raues Pflaster und seine Bewohner noch rauere Gesellen sind, spielt keine Rolle. Hauptsache, die Menschen sind frei.
Vielleicht ist es das, was man dem Roman an sozialkritischer Stoßrichtung unterstellen könnte: Die Infragestellung der Forderung von Freiheit um jeden Preis. Dann wäre die Story vielleicht doch mehr als nur der gerade Verlauf einer Linie von A nach B. Aber dabei bleibt es auch: einer Unterstellung.

Kurzinfo: Robert A. Heinlein

Bewertung:

Inhalt: 3
Plot: 4
Stil: 3-
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gesamt: 3-
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Poul Anderson: Das letzte Sternenschiff (1961)

Poul Anderson: Das letzte Sternenschiff, München 1969 (Original: Poul Anderson: Orbit unlimited. USA 1961); in: Chroniken der Zukunft, Bd. 2, S.427; hg.v. W. Jeschke, München 1984. (131 S.)


Die Menschheit der Zukunft kämpft mit dem Problem der Überbevölkerung. Die Ressourcen auf der Erde werden knapp und die sozialen Unterschiede müssen von Regierungsebene her eingeebnet werden. Um die letzte individuell denkende Klasse - die besitzende und profitorientierte Oberschicht - auf dem Weg in die einzig mögliche menschliche Zukunft der Gleichschaltung aufzulösen, wird ein Schulgesetz beschlossen, das Privatschulen verbietet und die staatlichen Pflichtschulen wieder einführt.
Durch die staatlichen Schulen werden die Kinder ihren Eltern immer mehr entfremdet. Daher kommen Regierung und Besitzklasse überein, dass eine Alternative gesucht werden muss, da eine friedliche Koexistenz offenbar nicht möglich ist. Das alte und wegen mangelnden Interesses dem Untergang Raumfahrtprogramm soll die Reichen Händler der Erde als Kolonisten auf einen fernen Planeten aussiedeln: Konfliktbeseitigung im wahren Wortsinn.
Nach einer nicht ganz einwandfreien Raumfahrt von 82 Jahren gelangen die Siedler auf ihren neuen Heimatplaneten, wo sie aufgrund der Luftdruckunterschiede nur auf den Hochebenen leben können. Die Raumfahrer ziehen ohne Aussicht auf baldige Wiederkehr in Richtung Erde ab, und die Kolonie beginnt zu wachsen.
Damit die Kolonie in Zukunft vor genetischer Degeneration sicher ist, werden mitgebrachte Zellen zu "exogenen" Menschen herangezüchtet und als Kinder bei den Siedlerfamilien untergebracht. Eines dieser Kinder entflieht dem sich entwickelnden Klassenkampf zwischen Normalen und Exogenen, indem es in die Schlucht nahe der besiedelten Hochebene absteigt. Zwei Männer, die das Kind teils widerwillig retten sollen, nehmen die Strapazen der fremden Umwelt in der Tiefebene auf sich und finden den Jungen schließlich unverletzt und völlig unbelastet von der veränderten Umwelt. Bei ihrer Rückkehr werden die Männer als Helden und der Junge als die Zukunft der Kolonie gefeiert, weil durch ihn ein Entkommen von der begrenzten Hochebene möglich scheint. Außerdem soll dieser gelungene Rettungsversuch helfen, die Gesellschaft weiterhin ohne Regierung auf der Grundlage gegenseitiger Solidarität zu betreiben.

Die Geschichte versucht einen Abriss der Ereignisse über mehrere Generationen hinweg mit Ausblick auf die mögliche Kolonisation eines fremden Planeten zu zeichnen. Die Figuren, denen die Handlung dabei folgt, sind lebensnah, wenn auch teilweise etwas verschroben gezeichnet, sodass die Geschichte durchaus spannende Momente entwickelt. Über den gesamten Verlauf hinweg ist allerdings kein klares Ziel zu erkennen - außer, dass eben eine Gruppe von Menschen auf einer fernen Welt ein neues Leben beginnt. Das Fehlen dieses übergeordneten Ziels und damit zusammenhängend auch das Fehlen eines durchscheinenden Themas oder philosophischen Gedankens lässt die einzelnen Kapitel aber zur beliebigen Aneinanderreihung möglicher Handlungen verkommen. Mal wird auf oberster politischer Ebene diskutiert, dann geschieht im Anflug auf die neue Welt ein Unglück in einem der Raumschiffe, und schließlich muss ein kleiner Junge gerettet werden: Ohne triftigen Grund werden die Ereignisse lose verkettet.
Als eines der frühen Werke des Autors für Fans sicherlich interessant, zum Olymp von Poul Andersons Werken gehört Das letzte Sternenschiff aber sicherlich nicht.

Kurzinfo: Poul Anderson

Bewertung:

Inhalt: 3
Plot: 4
Stil: 2
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gesamt: 3
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Dienstag, Februar 28, 2006

Ben Bova: Die dunklen Wüsten des Titan (1972)

Ben Bova: Die dunklen Wüsten des Titan, München 1975 (Original: Ben Bova: As on a darkling plain. USA 1972); in: Chroniken der Zukunft, Bd. 2, S.233; hg.v. W. Jeschke, München 1984. (194 S.)

Nachdem die Wissenschaft auf dem Mond Titan uralte Bauwerke entdeckt hat, versucht sie über Jahrzehnte hinter deren Funktion zu kommen. Dass die Bauten feindlicher Natur sind, scheint aus unerfindlichen Gründen von Anfang an klar, was der Story den Wind etwas aus den Segeln nimmt. Ständig wartet man als Leser darauf, dass es sich vielleicht um einen Irrtum handelt, dass die Menschheit sich grundlos in eine unbegründete Furcht hineinsteigert. Doch eine Sternenreise zum Siriussystem erhärtet den Verdacht eines feindlichen Masterplans hinter den Gebäuden, der zuletzt auch aufgedeckt wird: Das Bauwerk sendet Gravitationswellen zur Sonne, welche Sonnenflecken hervorrufen und schließlich alle 100.000 Jahre zu für die Erde tödlichen Sonneneruptionen führen. Die Maschinengebäude sind damit Teil eines uralten interstellaren Konflikts, und die Menschen haben es geschafft, die Waffe zu enträtseln und vielleicht auch zu entschärfen.
Diesem großen Plot der Geschichte jagen einige Wissenschaftler nach, die durch persönliche Beziehungen alle irgendwie miteinander zu tun haben. Dabei stellen die Protagonisten - Sidney Lee, Marlene Ettinger und Robert O´Bannon ihr Leben immer in erster Linie in den Dienst der Wissenschaft, deren harte Anforderungen immer wieder zerstörerisch in das Liebesleben der Figuren eingreifen. Hauptakteur Lee erkennt erst ganz zuletzt, als das Geheimnis der Gebäude praktisch schon gelüftet ist, dass der größte Wissenschaftliche Fund den Wert der Liebe zu einem anderen Menschen nicht aufwiegen kann. So verlässt Lee den Titan schließlich, von dem er so lange besessen war, um mit Marlene zur Erde zurückzukehren und der Wissenschaft abzuschwören.

Die Geschichte ist ein Plädoyer für die Liebe und vor allem dafür, dass selbst die größten Erfolge bedeutungslos werden, wenn sie als Opfer die Liebe unserer wichtigsten Mitmenschen fordern. Diese Aussage ist zwar konsequent angelegt - ständig geraten die Figuren durch ihre wissenschaftlichen Aufträge in schwere persönliche Konflikte -, sie wird aber etwas zu stark durch das Element der Furcht vor dem Fremden überlagert. So entsteht ein zweisträngiger Plot, bei dem das eigentlich wichtige Element der Liebe in den Hintergrund tritt, um der spannenden Jagd nach der Lösung des Rätsels der Furcht einflößenden Maschinen Platz zu machen.
Prinzipiell gut angelegt, führt diese Konstruktion den Leser doch etwas zu sehr in die Irre, sodass man dem Autor in seiner Conclusio zwar zustimmen muss, aber dennoch etwas enttäuscht ist, weil wir über die Fremden, denen wir während der Geschichte ständig nachgejagt sind, nicht wirklich etwas erfahren.

Stilistisch gut geschrieben wechseln in der Übersetzung Dialogpassagen und narrative Prosa einander ab. Die Dunklen Wüsten des Titan ist kurzweilig, transportiert eine lebensbejahende Botschaft in einer Welt voller unbekannter Gefahren, ist aber letztlich etwas irreführend gebaut.
Kurzinfo: Ben Bova

Bewertung:

Inhalt: 2+
Plot: 3+
Stil: 2-
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gesamt: 2-
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